Im Rahmen einer Expertise für das HPI hat das mmb Institut in den vergangenen Wochen den Markt für digitale Bildungslösungen im Schulbereich untersucht: gemeint sind hier vor allem Anwendungen für Lern- und Lehrprozesse, Kollaborations- und Kommunikationslösungen sowie Administrations- und Organisationssysteme. Die Auswertung liegt nun vor - hier einige zentrale „Befunde“.

Vier Funktionsbereiche

Um die im Markt befindlichen Lösungen und Anwendungen für Schulen sinnvoll einzuordnen, wurden zunächst vier zentrale Funktionsbereiche unterschieden.

Funktionsumfang Schullösungen (mmb Institut GmbH, 2019)
  1. Im Segment Lernmanagement (LMS) geht es um die direkte Unterstützung der schulischen Lern- und Lehrprozesse. Diese werden entweder individualisiert gesteuert oder es werden Material und Kommunikationstools bereitgestellt. Daneben übernehmen LMS auch immer öfter Funktionen aus dem Bereich des schulischen Wissensmanagements (Dateiablage, Sharing) und der Unterrichtsplanung (Termine, Räume, Ressourcen, Leistungsdaten, Analytics etc.). LMS werden zunehmend als web- bzw. cloudbasierte Anwendungen (SaaS) bereitgestellt und können somit unabhängig von Betriebssystemen, vorinstallierter Software oder Endgeräten genutzt werden. Im schulischen Umfeld dominieren bei LMS derzeit Open Source Lösungen wie Moodle oder Ilias (bzw. verschiedene Konfigurationen dieser Systeme).
  2. Schul- und Unterrichtsverwaltung: Aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben sind reine Verwaltungssysteme für Schule und Unterricht technisch getrennt von Anwendungen zu betreiben, die sich auf Lernprozesse beziehen („pädagogische Netze“). Dabei bilden diese, meist „on premise“ bei Providern oder in den Schulen selbst installierten Systeme den gesamten Bereich des schulischen Basisdatenmanagements ab, d.h. über Stundenpläne und Raumverwaltung, Schüler- und Lehrendenverwaltung bis hin zur Organisation von Elternabenden und der Ressourcen- und Finanzplanung. Einige Bundesländer und auch Kommunen haben für ihre Schulen eigene Verwaltungslösungen entwickelt, wobei die Kompatibilität dieser Systeme nicht immer gegeben ist.
  3. Bei den Contentmanagement und Authoring-Systemen handelt es sich oft um cloud-basierte Plattformen, dies es Schulen, Schülern und/oder Lehrenden ermöglichen, digitale Lernmaterialien, Videos, Podcasts, Dokumente oder auch Übungen und Tests aus größeren Content-Repositories, Stores oder Verzeichnissen abzurufen und ggf. auch anderen bereitzustellen. In verschiedenen Bundesländern sowie bundesweit werden – in öffentlicher wie privater Trägerschaft – solche „Bildungsserver“, Verzeichnisse und Contentplattformen angeboten, manchmal ergänzt um Funktionen zur Erstellung (Authoring) und/oder Bereitstellung bzw. gemeinsamen Bearbeitung von Materialien. Ebenfalls mit in diese Kategorie zählen File-Sharing und -Management-Systeme.
  4. Schließlich etablieren sich zunehmend separate Anwendungen für die Kollaboration und Kommunikation – auch unabhängig von den integrierten kommunikativen Funktionen in Schulverwaltungs- und Lernmanagementlösungen. Diese Lösungen fokussieren sich – analog zu Social Media wie Facebook, Whatsapp, Slack, Microsoft Exchange – explizit auf die Organisation von Gruppen und kollaborativen Prozessen (Groupware) rund um das Unterrichtsgeschehen. Mit in diese Kategorie gehören auch Blogs, Wikis und Webconferencing-Lösungen für virtuelle Präsenz-Meetings etc.

Die Anforderungen an moderne Schullösungen gehen jedoch über diese Funktionen hinaus: Dabei ist in erster Linie an Datenschutz und Datensicherheit zu denken, aber auch an Anforderungen an das Urheber- und Lizenzrecht sowie an Regelungen zur rechtskonformen Dokumentation, Bereitstellung und Auswertung von Leistungs- und Nutzungsdaten zum Zwecke des „Learning Analytics“ etc. In der nachfolgenden Abbildung sind einige dieser Aspekte ergänzt:

Funktionen und Services (mmb Institut GmbH, 2019)

Auswahl und Kategorisierung von Software-Lösungen für Schulen

Vor diesem Hintergrund konnte das mmb Institut insgesamt 43 Systemlösungen für Schulen recherchieren, zu denen mindestens eine Produkt-Website verfügbar waren. Für acht dieser Angebote konnten nur wenige oder überhaupt keine belastbaren Informationen über ihre aktuellen oder künftigen System-Funktionen recherchiert werden. Die restlichen 35 Lösungen wurden schließlich den vier Segmenten zugeordnet. Beginnen wir mit den Lösungen und Anwendungen, die in Verantwortung bzw. Zuständigkeit der Bundesländer auf Landesebene angeboten werden.

Systemlösungen der Bundesländer

Die Recherche dieser Lösungen gestaltete sich nicht ganz einfach, denn die Informationslage ist z.T. recht intransparent und auch die Planungen sind meist nicht-öffentlich. Manchmal werden zudem identische Lösungen unter verschiedenen Bezeichnungen geführt (wie z.B. Logineo (NRW) und eduPort (Hamburg) oder auch diverse Moodle-Konfigurationen); umgekehrt verbergen sich unter ähnlichen Bezeichnungen (wie z.B. Bildungscloud, Schulcampus, Lernwelt, Lernraum etc.) wiederum unterschiedliche Lösungen (wie z.B. LMS, Contentplattformen etc.). Teilweise verhindern auch Zugangsschranken im Netz weitergehende Informationen zu den Systemfeatures.

Grundsätzlich bieten heute nahezu alle Bundesländer ihren Schulen mehr oder weniger umfangreiche Services[1]  in den genannten Funktionsbereichen – teilweise verteilt auf separate Anwendungen, manchmal auch gebündelt in zentralen Zugangsportalen mit einheitlicher Nutzerverwaltung. Im Mittelpunkt stehen dabei zumeist Planungs- und Administrationssysteme für Lehrkräfte und das Schul- und Unterrichtsmanagement: nahezu alle Bundesländer bieten seit vielen Jahren solche Verwaltungslösungen an. Daneben sind sehr häufig auch Contentplattformen, Kataloge und Mediatheken (insb. die Bildungsserver) angebunden. Der Zugang wird oft über landesweite ID-Managementlösungen ermöglicht (an länderübergreifenden ID-Vermittlungsdiensten nach dem Vorbild des Schweizer FIDES wird gearbeitet). Ferner sind oft auch Lernmanagementlösungen unterschiedlicher kommerzieller und v.a. nichtkommerzieller Anbieter angedockt, wobei mindestens die Hälfte der Landeslösungen auf Moodle basieren - z.T. in spezifischen Landes-Konfigurationen.

Zu konstatieren sind auch unterschiedliche Ausbaustufen und Geschwindigkeiten: Während die Stadtstaaten Bremen oder Hamburg ihren Schulen bereits für nahezu alle Funktionsbereiche entsprechende Lösungen anbieten, befinden sich andere Bundesländer auch in zentralen Segmenten wie z.B. dem Lernmanagement noch im Planungs- und Versuchsstadium. Wieder andere Länder wie z.B. Baden-Württemberg setzen inzwischen bereits zum zweiten Mal an. Hier die Übersicht:

Systemlösungen der Bundesländer (mmb Institut GmbH, 2019)

Jenseits dieser „offiziellen“ Landeslösungen – alternativ oder ergänzend hierzu – kommen im deutschen Schulsystem aber auch viele weitere Anwendungen zum Einsatz, die in der nachfolgenden Gesamtliste genannt sind.

Gesamtübersicht der Angebote

Betrachtet man die 35 näher recherchierbaren Systeme unter dem Blickwinkel ihrer funktionalen Ausrichtung und Schwerpunkte, so ergibt sich folgende Verteilung:

• 15 Systeme fokussieren den Bereich Schul- und Unterrichtsverwaltung,

• 8 Systeme setzen ihren Schwerpunkt auf Lernmanagement und

• 7 auf Contentmanagement/Authoring.

• 5 Systeme fokussieren explizit Kommunikations- und Kollaborationslösungen.

Ungeachtet der jeweiligen Schwerpunkte bieten jedoch nahezu alle recherchierten Systeme – mit wenigen Ausnahmen – nicht nur Funktionen in einem der vier Anwendungsfelder, sondern daneben auch gleichwertige oder relativ ausgeprägte Funktionalität in einem oder mehreren weiteren Bereichen. Das wird deutlich, wenn die Häufigkeit der Funktionsbereiche über alle Systeme hinweg ausgezählt und prozentual gewichtet wird.

Vorkommen bestimmter Funktionen bei Wettbewerbern (mmb Institut GmbH, 2019

Diese Funktionsvielfalt erschwert nicht nur eine eindeutige Zuordnung zu Schwerpunktbereichen, sondern auch einen seriösen Funktionsvergleich, da beispielsweise ein explizites Lernmanagementsystem wie Moodle, obwohl es inzwischen über umfassende Kollaborations-Features verfügt, dennoch kaum mit einer spezialisierten Kollaborations-/ Kommunikationssoftware, wie z.B. schul.cloud, verglichen werden kann.

Ordnet man – trotz dieser qualitativen Vergleichsproblematik – die hier betrachteten Systeme und Anwendungs-Portale nach ihrer jeweiligen Funktionsvielfalt ein so ergibt sich folgendes „Ranking“:

Funktions-Ranking der Wettbewerber-Angebote nach Schwerpunkbereichen (mmb Institut GmbH, 2019)

Demnach bieten erwartungsgemäß v.a. die landesweiten Lösungsportale (Niedersächsische Bildungscloud und LernSax) umfangreiche Funktionalitäten (= grüne Spalte) in vier bzw. drei Anwendungsbereichen. Fünf weitere Systeme (mebis, It’s Learning, Canvas, Moodle und Ilias) verfügen über umfangreiche Funktionen in mindestens zwei Anwendungsfeldern und einige wesentliche Funktionen (= gelbe Spalte) in mindestens einem weiteren Anwendungsbereich.

Die Liste zeigt: Das Angebot an Schullösungen ist breit und entwickelt sich dynamisch – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Digitalpaktes. Im Vergleich dieser Anwendungen ist nun folgendes zu konstatieren:

1. Heterogene Lösungen auf Länderebene

Im Bereich der Schul- und Unterrichtsverwaltung sind auf Landesebene bereits fast überall zentrale Lösungen im Einsatz. Diese bilden meist auch den datenlogistischen Kern der geplanten oder implementierten Zugangsportale und der sogenannten „Cloud“ Lösungen. Die Leitidee hinter solchen Landesportalen besteht darin, mehrere ausgewählte (speziell konfigurierte und lizenzierte) Anwendungen auf Basis einer einheitlichen Nutzerverwaltung (ID-Management) zentral bereitzustellen, anstatt verschiedene separate Lösungen anzubieten. Bei diesen Zugangsportalen handelt es sich zwar nicht im engeren Sinne um serviceorientierte (SOA) Cloud Infrastrukturen, allerdings bieten sie gegenüber dezentralen oder lokalen Software-Installationen deutlich mehr Komfort, zumal in diesen Portalen ganz verschiedene Anwendungen – von der Content-Plattform über vorkonfigurierte Moodle-Lernräume bis hin zur Untis-Instanz für das Schulmanagement etc. – mit einem Single Sign On zugänglich gemacht werden können. Sollte es den Bundesländern darüber hinaus gelingen, auch einen länderübergreifenden, föderierten ID-Vermittlungsdienst nach Schweizer Vorbild in Deutschland zu etablieren, so könnten perspektivisch auch Nutzer anderer Landesportale auf die Ressourcen und Services aller beteiligten Länder zugreifen.

Ob sich daraus freilich – aus Nutzer- und Anwendersicht – ein entsprechender großer Mehrwert ergibt, bleibt abzuwarten. Denn trotz vergleichbarer Kernfunktionalität (z.B. im Bereich Kommunikation/Kollaboration oder Lernmanagement) verfügen die in Landesportalen zusammengeführten Systeme selbstverständlich über jeweils eigene Bedien- und Funktionslogiken. Auch die angebundenen Content-Plattformen und Verzeichnisse unterscheiden sich nicht nur strukturell, sondern auch in qualitativer und quantitativer Hinsicht. D.h., die von den Bundesländern entweder separat oder in Länderportalen und „Clouds“ arrangierten Lösungen sind weder technologisch noch funktional voll integriert – und auch ein einheitliches Nutzungsdesign oder eine vergleichbare Usability kann in heterogenen Systemumgebungen dieser Art nicht gewährleistet werden. Selbst dort, wo dieselben Systeme zum Einsatz kommen (z.B. Moodle) oder funktionierende Schnittstellen und Standards vorhanden sind (z.B. SCORM), verbinden sich mit jeder Weiterentwicklung und jedem Update, mit jedem neuen Feature, Betriebssystem und jeder neuen App immer auch Herausforderungen für das Daten- und Dateimanagement, Schnittstellenentwicklung usw. Dieser problematische Sachverhalt spitzt sich zu, wenn es nicht nur um System-Interoperabilität und Usabilty, sondern auch um avanciertere Formen des Datenaustauschs im Rahmen von Learning Analytics oder um Adaptive Learning-Funktionen geht – hier kommen reine Zugangsportale an ihre Grenzen. Anders formuliert: Der Aufwand, solche heterogenen Lösungen und Systemumgebungen maximal zu integrieren ist erheblich und nimmt weiter zu.

2. Wachsende funktionale Differenzierung

Wenngleich eigentlich alle Systeme Kernfunktionalitäten in einem oder zwei Anwendungsbereichen aufweisen (z.B. dem Lernmanagement oder der Schulverwaltung), arbeiten die Anbieter verstärkt daran, ihre Lösungen um weitere Funktionen aus anderen Bereichen (z.B. Kommunikation) zu erweitern. Ein Beispiel sind Messengerdienste und Social-Networking-Funktionen im Bereich Kommunikation[2] oder auch bestimmte Unterrichtsadministrations-Features. Dies führt jedoch nicht zwingend dazu, dass die Lösungen in ihren einzelnen Funktionen auch qualitativ – Stichwort Usability – gewinnen und die Nutzerbedarfe tatsächlich sinnvoll abdecken. So ersetzt beispielsweise in der alltäglichen Schulpraxis der Messengerservice innerhalb eines Moodle-System wahrscheinlich nicht die Verwendung von speziellen Diensten wie schul.cloud oder gar von Whatsapp, dessen Nutzung unter Datenschutzgesichtspunkten bekanntermaßen äußerst problematisch ist.

Allerdings ist davon auszugehen, dass der Druck auf die im Markt etablierten Schul-Lösungsanbieter, ihre Funktionalitäten und Services strategisch weiter auszubauen, eher zu- als abnimmt. D.h., die funktionale Binnendifferenzierung steigt ebenso an wie die Komplexität dieser Anwendungen. Im gleichen Zug wächst die Herausforderung, datenbasierte Kooperation und Kommunikation über die jeweiligen System- und Schulgrenzen hinweg zu ermöglichen, was gerade für das vernetzte und föderal organisierte Schulsystem unverzichtbar ist.

Wachsende Funktionsdifferenzierung und Vielfalt erschwert mithin die vielfach geforderte System-Interoperabilität, Durchlässigkeit und Integrierbarkeit – sowohl zwischen den Anwendungen innerhalb einer Schule als auch zwischen Schulen, Schulformen und Regionen. Immer wichtiger werden daher gemeinsame Schnittstellen bzw. APIs sowie ein schul- und länderübergreifendes ID-Management – wobei, wie gesagt, der Aufwand für die Integration der heterogenen Schullösungen und Portale ebenfalls zunimmt.

3. Relevanz von Praxistauglichkeit und Usability

Eine vergleichende Bewertung einer Softwarelösung auf Grundlage von Selbstauskünften, Funktionskatalogen oder Produktpräsentationen ist kaum möglich. Denn häufig ist die Art und Weise, wie bestimmte Features einer Anwendung aus Praxis- und Nutzersicht umgesetzt sind, viel entscheidender, als die Frage nach dem ob. Denn Softwarelösungen sind einerseits „Erfahrungsgüter“, deren Nutzen sich erst im praktischen Gebrauch erweist; zugleich sind sie auch „Vertrauensgüter“, deren Qualität vor allem auf der (vertrauenswürdigen) Expertise des Herstellers/Anbieters beruht (z.B. im Hinblick auf Datensicherheit). Reine Funktions-Vergleiche besitzen daher im Softwarebereich nur begrenzten Nutzen.

Dies gilt selbst für scheinbar triviale Features, wie z.B. eine Suchfunktion, die zwar funktional vorhanden sein kann, jedoch nicht zwingend brauchbare Suchergebnisse liefern muss. Auch komplizierte Klickpfade oder Menüstrukturen sind im täglichen Praxiseinsatz ebenso störend wie lange Ladezeiten u.v.a.m. Anders formuliert: Die Frage, ob ein bestimmter Use Case (z.B. die Organisation von virtuellen Arbeitsgruppen im Unterricht) sowohl software- als auch usability-seitig befriedigend umgesetzt wurde, kann nicht allein anhand einer Funktionsbeschreibung beantwortet werden.

4.    Anforderungen jenseits der Funktionalität nehmen schnell zu

Mit der hohen Innovationsgeschwindigkeit im Hard- und Softwarebereich verbinden sich große Herausforderungen für die Produktentwicklung, und zwar nicht nur mit Blick auf neue Funktionen und Anwendungsbereiche, sondern insbesondere auch hinsichtlich „weicher“ Funktionen, wie die Usability, den Datenschutz und generell die Nutzungsfreundlichkeit und Nutzbarkeit auf unterschiedlichen Clients und Endgeräten. Wenngleich Cloudlösungen vieles vereinfachen können (z.B. die Unabhängigkeit von Betriebssystemen, einfache Datensynchronisation etc.), wachsen dadurch in anderen Bereichen die Anforderungen, z.B. im Blick auf das Identitäts- und Daten-Management, die Datensicherheit und -analyse sowie generell den Datenschutz. Auch die Entwicklung moderner Apps und „Skills“ sowie responsiver User-Interfaces - zunehmend auch sprach-gesteuerter Anwendungen oder Apps - erfordert einen permanent hohen Aufwand. Dabei zeigen sich im Vergleich der recherchierten Lösungen durchaus größere Unterschiede: Während manche Lösungen z.B. primär auf mobile Plattformen und Cloudangebote setzen, werben andere mit individueller Konfigurierbarkeit, Datensicherheit und verlässlichem Datenschutz im Rahmen von On Premise Installationen. Zu vermuten ist, dass nicht jeder – zumal öffentliche und nicht-kommerzielle – Lösungsanbieter angesichts dieser steigenden Anforderungen und des wachsendem Innovationstempos Schritt halten kann.

Die nachfolgende Abbildung fasst wesentliche Befunde dieses System- und Marktvergleichs zusammen:

Zusammenfassende Bewertung (mmb Institut GmbH, 2019)

Die HPI Schul-Cloud: Cloudbasierte Service-Infrastruktur

Betrachtet man vor dem Hintergrund des beschriebenen Systemumfelds den aktuellen Funktionsumfang der HPI Schul-Cloud, so ergibt sich folgendes Bild (grün = umfassende Funktionalität; gelb = einige wesentliche Funktionen; rot = keine oder unzureichende Funktionen).

Funktionsumfang HPI Schul-Cloud (mmb Institut GmbH, 2019)

Abgesehen vom Bereich der Schul- und Unterrichtsverwaltung bildet das System in seiner aktuellen Ausbaustufe in allen relevanten Service-Bereichen weitgehende Funktionen ab, wobei auch für die schulinterne und schulübergreifende Kollaboration wichtige Features (z.B. „Teams“) bereits verfügbar sind, sich aber noch in der Weiterentwicklung befinden (daher gelb). Die wesentlichen Funktionen der HPI Schul-Cloud lassen sich nach eigener Auskunft in drei Bereiche untergliedern:

1.    Kommunikation, Kollaboration und Organisation

2.    Finden, Erstellen, Teilen, Verwenden und Bewerten von Inhalten

3.    Unterstützen von Lernen und Lehren

Neben diesen Funktionsdimensionen hat das HPI-Projekt einen Schwerpunkt auf den Datenschutz gelegt und das System streng DSGVO-konform entwickelt, wobei auch technologisch neue Wege beschritten wurden: so wurden beispielsweise erstmalig für den Schulbereich umfassende Pseudonymisierungsverfahren implementiert; auch stand/steht die gesamte Entwicklung unter der Maxime des „Privacy by Design“, d.h. der Vorgabe, Datenschutzaspekte möglichst schon im Algorithmus selbst abzubilden. Vergleichbare softwaretechnisch-umgesetzte Datenschutzverfahren finden sich in keiner anderen derzeit angebotenen Lösung.

Jenseits dieser Features und Services zeichnet sich die HPI-Lösung jedoch in ersterer Linie durch eine konsequent serviceorientierte Architektur (SOA) aus: D.h. die hier entwickelte Lösung stellt kein in sich abgeschlossenes, binnendifferenziertes Programmpaket für Schulen oder ein bestimmtes Anwendungsfeld dar, das nutzerspezifisch konfiguriert und auf Servern einer Schule oder eines Providers betrieben wird. Vielmehr setzt sich die HPI Schul-Cloud aus verschiedenen an schulischen „Geschäftsprozessen“ orientierten Diensten zusammen, die modular und flexibel aus der Cloud bezogen werden können - und zwar typischerweise unabhängig von der jeweiligen Systemumgebung, dem verwendeten Betriebssystem oder Endgerät. Gerade angesichts der Vielzahl an Einzellösungen und Portalen mit wachsendem Funktionsumfang bei tendenziell erschwerter Interoperabilität erscheint eine flexible und offene Dienstearchitektur dieser Art sowohl aus wirtschaftlicher Sicht wie auch unter innovationstechnologischen Gesichtspunkten durchaus vorteilhaft. Vor diesem Hintergrund hat sich bereits Anfang 2018 n-21 in Niedersachsen für die HPI Schul-Cloud als Kernanwendung ihrer Niedersächsischen Bildungscloud entschieden; 2019 kamen dann die Bundesländer Brandenburg und Thüringen als weitere HPI Schul-Cloud Anwender hinzu.

Autor: Dr. Ulrich Schmid, mmb Institut GmbH


[1] Hierzu zählen nicht zuletzt auch die diversen Bildungsserver der Länder sowie die Suchmaschine Elixier, die über den Deutschen Bildungsserver zugänglich ist und eine differenzierte Suche nach Unterrichtsmaterial, Schulform, Fächergruppen und Unterrichtsthemen ermöglicht. Bei den Bildungsservern handelt es sich um Bildungscontent und Materialsammlungen – im Sinne frei verfügbarer Online-Bibliotheken. Jedes Bundesland hat einen eigenen Bildungsserver. Lehrende in unterschiedlichen Schulformen und Bildungsbereichen können hier auf Ressourcen rund um Bildung zugreifen. Auch Informationen zur Schulverwaltung, zum Schuldienst und Schulsystem sind in der Regel hinterlegt. Oft gibt es zudem Neuigkeiten, Nachrichten und Meldungen aus dem Bundesland. Überdies werden z.T. Konferenztermine hinterlegt und es finden sich Hinweise zu Fortbildungsangeboten. Der Fokus dieser Plattformen liegt nicht auf dem Editieren eigener Inhalte, ebensowenig wie auf dem Lernmanagement, der Kooperation oder Schulverwaltung. In Kombination mit Anwendungen wie z.B. einem Lernmanagementsystem kann freilich daraus eine integrierte Lösung entstehen.

[2] Der Bedarf an einem solchen Service ist schulseitig (insb. bei Lehrern und Schülern) extrem hoch, da das heutige Kommunikationsverhalten in nahezu allen Lebensbereichen vollständig auf diesen Kommunikationstools basiert. Dies ist der Grund, warum sogar trotz teilweiser Verbote und großer Bedenken in Sachen Datenschutz Whatsapp in sehr vielen Schul-Klassen weiterhin eine unverzichtbare Kommunikationsplattform ist. Fast alle Systemanbieter bieten daher heute in der ein oder anderen Form Messengersevices an, oder sie arbeiten an deren Integration.