Die Coronakrise hat dem digitalen Lernen endlich auch in Deutschland einen großen Schub verliehen. Lehrer kommunizieren über das Internet mit ihren Schülern. Sie übersenden Lernmaterialien, stellen Aufgaben und suchen Kontakt zu ihren Schülern über Messengerdienste oder Videokonferenzsysteme. Eltern kümmern sich im Homeschooling darum, dass ihre Kinder trotz Schulschließungen Matheaufgaben lösen, Vokabeln lernen und Themenstellungen ausarbeiten.

Es geht nicht um die Frage, was denn didaktisch besser wäre, im Klasseverband zu lernen – ist aus vielen Gründen ganz bestimmt besser – oder ob vor dem Bildschirm eines Smartphones oder Computers besser gelernt werden kann. Es geht darum, trotz Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen überhaupt einen Weg zu finden, unsere Kinder weiter zu unterrichten und auszubilden. Jedes Mittel ist hier recht und die Digitalisierung bietet besonders viele, hochattraktive digitale Lernsysteme und Lernsoftware zur Nutzung an, oft ganz einfach über das Internet.

Die Not, die bekanntlich erfinderisch macht, lässt viele Lehrer und Eltern gerade solche digitalen Lernhilfen im Internet entdecken, die frei verfügbar sind oder gegen eine Lizenzgebühr genutzt werden können. Viele dieser Lernsysteme sind interaktiv, stellen sich also ganz individuell auf den einzelnen Schüler ein und „erinnern“ seine Schwächen und Stärken genau. Lernsysteme erinnern sich, welche Matheaufgaben nicht richtig gelöst wurden und erkennen meist auch gleich die Ursache. Sie stellen fest, welche Vokabeln nicht richtig sitzen und deshalb weiter geübt und trainiert werden müssen.

Das ist kein Hexenwerk, denn sobald man sich bei einem solchen Lernsystem registriert und eingeloggt hat, kann dieses alle Interaktionen der eingeloggten Person genau zuordnen. Sie kann Vergleichsanalysen mit den Verhaltensdaten aller anderen jemals eingeloggten Lerner durchführen und darauf aufbauend die weiteren Interaktionen dem anvisierten Lernziel entsprechend steuern. Viel genauer als das dem Lehrer im Unterricht mit der Klasse möglich ist, können dabei die Schwächen der einzelnen Schüler überwunden und zielgenau ihre Stärken individuell gefördert werden.

Interaktive Lernsystem müssen dazu ihre Nutzer kennen und personenbezogene Daten speichern

Damit ein Lernsystem sich an einen Schüler erinnern kann, muss es wissen, um wen es genau geht und sich alle seine Interaktionen mit dem System merken, auch die aller vorangegangenen Sitzungen. Das hat nichts mit ausspionieren zu tun, sondern dient dem Ziel, den einzelnen bestmöglich individuell zu fördern. Greift man über das Internet auf solche Lernsysteme zu, genauer auf die von den Anbietern solcher Lernsysteme betriebenen Serversysteme und nutzt sie, werden in den Serversystemen der Anbieter detaillierte Bildungsdaten der Nutzer – also unserer Schulkinder – als personenbezogene Daten gespeichert und liegen somit in den Händen der Anbieter dieser Systeme. Diese Daten bieten eine genaue Einsicht, welche Aufgaben wie gelöst und welche Fragen auch im wiederholten Fall falsch oder nur unvollständig beantwortet wurden. Für jeden Nutzer lässt sich Lernstand, Lernfähigkeit, Auffassungsgabe, Lerngeschwindigkeit, usw. aus diesen Daten auslesen.

Deshalb schreiben deutsche und europäische Datenschutzverordnungen vor, dass das nur mit expliziter Einwilligung der Eltern und Erziehungsberechtigen erfolgen darf. Bevor also ein Lernsystem datenschutz‐, also gesetzeskonform genutzt werden darf, braucht es die explizite Zustimmung der Eltern. Mit gutem Grund, denn es geht um die Bildungsdaten ihrer Kinder, die genauso wie gesundheitliche Daten nicht in falsche Hände gehören und vor Missbrauch geschützt werden müssen. Denn ein Vorwurf des Bildungsversagers, Spätzünders, Faulenzens, … kann im beruflichen Fortkommen schon hinderlich sein.

Datenschutzdilemma bei der Nutzung von interaktiven Lernsystemen

Hier tut sich nun ein Dilemma auf. Im schulischen Alltag geht es ja nicht nur um die Nutzung einer Lernsoftware. Für den Unterricht stehen sehr viele, ganz unterschiedliche Lernsysteme bereit. Für jedes Fach, für jede Altersstufe, für jede Detailtiefe sind das andere, nicht alle interaktiv – bei der Betrachtung eines Lernvideos oder einer Präsentation im Internet fallen gewöhnlich keine personenbezogenen Daten an – aber bei interaktiven schon, das sind aber genau die besonders interessanten und lehrreichen Systeme.

Wie kann man hier den Schutz personenbezogener Daten sicherstellen, ohne gleichzeitig den Schülern und Lehrer den didaktischen Reichtum dieser digitalen Lernsystem vorzuenthalten. Diese Frage hat auch das Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) umgetrieben, als es vor Jahren den Digitalpakt konzipiert hat, der Deutschland voranbringen sollte im Bereich der digitalen Bildung. Schüler und Lehrer sollen auch digitale Lernsysteme nutzen können, wann immer sie das für sinnvoll erachteten. Es hat einen konzeptionellen Vorschlag des Hasso‐ Plattner‐Instituts aufgegriffen und Fördermittel für die Entwicklung der HPI Schul‐Cloud am HPI bereitgestellt.

Die HPI Schul‐Cloud bietet einen datenschutzkonformen Zugang zu interaktiven Lernsystemen

Grundgedanke dieses Konzeptvorschlages war es, eine datenschutzkonforme digitale Lern‐ und Arbeitsumgebung für Lehrer und Schüler bereitzustellen, in der Lehrer und Schüler ganz unabhängig vom jeweiligen Fach ihre Dokumente erzeugen, bearbeiten, speichern und austauschen können, und in der sichergestellt ist, dass alle diese Daten auf Systemen in Deutschland unter deutscher Hoheit also konform zur hier herrschenden Gesetzeslage gehalten werden. In dieser Lern‐ und Arbeitsumgebung sind Klarnamen unerlässlich. Lehrer müssen Ihre Schüler erkennen, Schüler ihre Klassenkameraden, Teilnehmer ihre Arbeitsgemeinschaften. Bei der Registrierung auf dieser Lern‐ und Arbeitsumgebung, der HPI Schul‐Cloud müssen deshalb auch die Eltern Ihre Zustimmung geben, ab 16 Jahren ist auch die Zustimmung der Schüler notwendig. Das ist aber auch die einzige Zustimmung, die nötig ist.

Denn der Clou der HPI Schul‐Cloud ist es, dass Schüler und Lehrer über eine Pseudonymisierungsschnittstelle jedes gewünschte digitale Lernsystem der Welt nutzen können, ohne dass dort personenbezogene Daten verarbeitet werden. Beim Übergang zu einer interaktiven Lernsoftware werden die Klarnamen in Pseudonyme verwandelt, also zufällig ausschauende Folgen aus Ziffern und Zeichen. Und jedes mal, wenn ein Schüler eine bestimmt Lernsoftware nutzt, wird ihm das gleiche Pseudonym zugeordnet. Das Lernsystem kann so den Schüler wiedererkennen, ohne Informationen zu seinem Namen, seiner Schule, seinem Wohnort zu erlangen. Und es kann dem Schüler trotzdem genau die gleichen Leistungen erbringen, sich an seine Schwächen und Stärken erinnern, ohne dabei seinen Namen zu kennen und unter diesem seine Daten zu speichern.

Die HPI Schul‐Cloud bietet eine sichere digitale Lernumgebung für die Schulen

Neben diesem Pseudonymisierungsschnittstelle, der die datenschutzkonforme Nutzung von Lernsystemen im Internet ermöglicht, bietet die HPI Schul‐Cloud für den Schulunterricht eine moderne Softwareinfrastruktur, die für alle im schulischen Kontext anfallenden Aufgaben, die erforderlichen digitalen Werkzeuge bereitgestellt. Dokumente können gelesen und bearbeitet werden, Texte und Präsentation mit einem Office‐System erstellt, Nachrichten per Email oder Messenger versendet und empfangen, die Arbeit in Teams organisiert, Kreativsessions im Design Thinking Modus mit Nexboard und Post‐ist durchführt und mit (datenschutzkonformen) Videokonferenzsystemen gemeinsam diskutiert werden.

Die Nutzungsoberfläche der HPI Schul‐Cloud organisiert sich für jeden Schüler entlang des individuellen Stundenplans und für jeden Lehrer entlang der Kurse, die er zu geben hat. Und dann gibt es den sogenannten Lern-Store, der Zugang zu den verschiedensten Lerninhalten und interaktiven Lernsystemen bietet. Zur Zeit sind dort über 4 Millionen Unterrichtsmaterialien verfügbar und interaktive Lernsysteme, die über die Pseudonymisierungsschnittstelle datenschutzkonform erreicht werden können. Auch ein Anschluss von Schulverwaltungssystemen ist möglich. Die Registrierung kann über verschiedene Identity‐Provider erfolgen, wie es überhaupt der Grundgedanke bei der Entwicklung dieses Open‐Source‐Systems war, überall mit offenen standardisierten Schnittstellen zu arbeiten, um die Einbindung anderer Systeme zu erleichtern.

Jetzt sicher auch von Zuhause lernen

Um die coronakrisenbedingten Unterrichtsausfälle im Schulwesen abzufedern, hat das BMBF mit nicht unerheblichen finanziellen Mitteln eine Initiative gestartet, dass jede Schule, die an die HPI Schul‐Cloud angeschlossen werden will und Ihrem Kollegium damit ein datenschutzkonformes gesetzestreues Arbeiten auch mit digitalen Inhalten ermöglicht, zeitnah an die HPI Schul‐Cloud angeschlossen werden kann.

Und auch die Bundesländer Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen haben sich entschieden, die HPI Schul‐Cloud landesweit auszurollen, jeweils unter einem eigenen landesspezifischen Branding.