Die Anforderungen an Lehrkräfte waren selten so hoch wie heutzutage. Die Schülerschaft wird immer diverser. Differenzierung im Unterricht wird erwartet, ebenso der Einsatz moderner Medien und die Vermittlung von Kompetenzen. Selten stimmte die Aussage, Lehrer* würden den Unterricht in ihrem ersten Schuljahr vorbereiten und dann Jahr für Jahr die gleichen Stunden geben, weniger als heute. Natürlich können sie bei der Unterrichtsvorbereitung weiterhin auf ihren Erfahrungsschatz zurückgreifen, aber welche weiteren Hilfen haben sie bei der Planung ihres Unterrichts? Und wie können wir als HPI Schul-Cloud sie dabei möglichst umfassend unterstützen? Mit dieser Frage beschäftige ich mich in meiner Masterarbeit und stelle in diesem Blogpost die bisherigen Erkenntnisse und das Konzept vor, das ich in den nächsten Wochen umsetzen werde.

Bedürfnisse der Lehrkräfte

Um mich dem Thema zu nähern, habe ich zunächst ausführlich mit Lehrern über die Art und Weise gesprochen, wie sie ihren Unterricht vorbereiten. Wie schon erwähnt führen eine immer stärker geforderte Differenzierung sowie die Digitalisierung dazu, dass Lehrer nur in Ausnahmefällen eine Stunde aus dem Vorjahr unverändert wiederverwenden können. Im Umkehrschluss heißt das, dass sich Lehrer vor fast jeder Unterrichtsstunde neu auf die Suche nach Inhalten begeben müssen. Dafür verwenden sie zwar auch ihren über die Jahre aufgebauten Fundus an Materialien sowie Begleithefte der Schulbuchverlage, aber überraschend häufig und in steigender Tendenz bemühen sie zudem das Internet um Hilfe.

Und damit sind wir bei dem Punkt, der meinen Gesprächspartnern am meisten Ärger bereitete. Für viele Aufgaben sei das Internet die beste Möglichkeit, aber diese sei bei weitem nicht zufriedenstellend. Entweder könne Google benutzt werden, wo ab und zu wahre Schätze zu finden sind, aber in den meisten Fällen seien diese in der Flut der Inhalte nur mit Glück aufzufinden. Außerdem sei die Qualität der Ergebnisse größtenteils nicht ausreichend, die Inhalte nicht für ihre Klasse geeignet oder sie passen nicht zum Lehrplan, so das Fazit der Lehrer. Alternativ könne in Lehrerforen gesucht werden, aber dort seien die Probleme vergleichbar mit denen bei Google. Es gebe einfach zu viele Treffer für ihre Suchanfrage. Häufig sei zudem unklar, ob der gefundene Inhalt je vor einer Schulklasse getestet wurde oder nur als Lehrprobe eines Referendars erstellt und hochgeladen wurde.
Zusammenfassend gibt es demnach hauptsächlich zwei Bedürfnisse bei der Suche nach neuen Inhalten:

  • Die Suche soll ausschließlich die passenden Ergebnisse für den Anwendungsfall hervorbringen. Manche Texte zum Thema Demokratie in Griechenland sind für Fünftklässler einer Grundschule im Fach Geschichte geeignet, andere für Oberschüler an einem Gymnasium im Fach Politische Bildung. Unterscheidungen dieser Art sollte eine Suche leisten können, um die Ergebnismenge übersichtlich zu halten.

  • Die gefundenen Inhalte müssen anpassbar sein. Die Lehrer, mit denen ich gesprochen habe, passen ihre Inhalte in den meisten Fällen zumindest ein wenig auf ihre Schüler an. Sei es, dass eine Aufgabe anders formuliert, ein Text übersichtlicher strukturiert, oder die Abkürzung ‚ct‘ für Cent durch ein ‚c‘ zu ersetzen: Ein schönes PDF-Dokument, das nicht verändert werden kann, ist nicht viel mehr als eine Inspiration, wenn ein Lehrer es neu abtippen muss, um die gewünschten Änderungen vorzunehmen.

„Weniger ist mehr“ oder „Qualität über Quantität“ – Ein Konzept für auffindbare Qualitätsinhalte

Alle in der HPI Schul-Cloud erstellten Inhalte lassen sich leicht im Browser bearbeiten, ohne dass zusätzliche Software installiert werden muss. Seien Sie im Zuge dessen auf die Neuentwicklung des Editors durch das Bachelorprojekt-Team gespannt! Aber nur durch eine Bearbeitbarkeit der Inhalte lässt sich das Problem der Suche nicht lösen. Wie finde ich schnell gute Materialien für meinen Unterricht?

Aus der Sicht eines Programmierers ist die Frage leicht beantwortet: Ist eine große Sammlung an mit Metadaten angereicherten Inhalten (wie bspw. das Fach, das Thema, die Niveaustufe, das Unterrichtsziel usw.) vorhanden, die im besten Fall von fachkundigen Menschen kuratiert und bewertet wurden, dann kann eine passgenaue Suche programmiert werden. Die wenigen, aber dafür passenden Ergebnisse, können dann durch das Rating so sortiert werden, dass die besten Ergebnisse zuerst angezeigt werden. Aufwendige Suchen würden damit der Vergangenheit angehören. Leider haben wir eine solche Sammlung an kategorisierten Inhalten (noch) nicht. Deshalb adressiert mein Konzept die Frage, wie wir eine Datenbasis dieser Art aufbauen und für die Qualität der Inhalte und ihrer Kategorisierung bürgen können.

Lehrer kuratieren – ohne nennenswerten Mehraufwand

Das Kernstück dieses Konzeptes ist der Aufbau einer hochqualitativen Sammlung an kategorisierten und bearbeitbaren Materialien durch Lehrer. Die Idee ist, Lehrer dazu zu ermutigen, ihre Vorbereitung in die HPI Schul-Cloud zu verlagern, mit den oben erwähnten Metadaten zu versehen, sowie mit ihren Kollegen zu teilen. Um die Qualität zu wahren, sollen geteilte Inhalte zunächst in einen Review-Bereich, in dem sie verweilen, bis mindestens zwei weitere Lehrer ihre Zustimmung bezüglich der Qualität des erstellten Inhalts sowie dessen Kategorisierung signalisieren. Dann ist er in einer Suche, in der neben den durch die Metadaten ermöglichten Filterfunktionen auch die Bewertungen anderer Lehrer eine Rolle spielen, schnell auffindbar. So soll nach und nach ein Pool an Inhalten aufgebaut werden, der nicht nur an und für sich den hohen Qualitätsansprüchen der Lehrer genügt, sondern zudem deutlich genauer durchsuchbar ist als die bisherigen Möglichkeiten bei Google oder in Lehrerforen. Eine Frage stellt sich hier ganz offensichtlich: Warum sollten sich Lehrer den Mehraufwand machen, eigene Inhalte zu erstellen, zu kategorisieren sowie fremde Inhalte zu kuratieren?
Die Antwort besteht aus zwei Teilen. Zum einen soll der Mehraufwand möglichst gering gehalten werden. Durch eine Integration mit den anderen in der HPI Schul-Cloud verfügbaren Funktionen sowie einen intuitiven Editor (hier sei nochmals auf den Editor des Bachelorpojektes verwiesen, der in Kürze veröffentlich wird) soll der Mehraufwand beim Erstellen verschwindend niedrig sein. Zudem sollen Lehrer nur Inhalte zum Kuratieren vorgeschlagen bekommen, die nicht nur fachlich passen (hier ist ein Mapping der durch andere Lehrer vorgeschlagenen Inhalte mit den selbst unterrichteten Fächern angedacht), sondern auch thematisch an die letzten Unterrichtsstunden anschließen. In den Interviews mit Lehrern habe ich gelernt, dass meistens erst in der letzten Woche die Unterrichtsstunde konkret geplant wird. Da sich die Lehrer dann ohnehin auf die Suche nach passendem Material machen, ist die Kuration neuer Inhalte von Kollegen kein Mehraufwand.
Zum anderen soll den Lehrern der kleine Mehraufwand durch einen großen Mehrwert schmackhaft gemacht werden. Nur Lehrer, die durch das Bereitstellen eigener Inhalte oder das Bewerten und Kategorisieren fremder Inhalte zu der oben beschriebenen Materialsammlung beitragen, haben Zugriff auf die passgenau einstellbare Suche. Alle anderen müssen auf die Basissuche zurückgreifen. Durch einen Beitrag zur Qualität der Lehrinhalte können Lehrer sich also einen Komfortgewinn sichern.

Work in progress – Was halten Sie von diesem Ansatz?

Dieses Konzept ist nach Interviews mit Lehrern entstanden, im ersten Schritt in Papierprototypen umgesetzt und durch Tests mit Lehrern weiterentwickelt und verfeinert worden. In den nächsten Wochen geht es darum, dies in die HPI Schul-Cloud zu integrieren, aber es ist weiterhin ein sich entwickelndes Konzept.

Ganz besonders interessiert bin ich an der Frage, nach welchen Kriterien Sie am liebsten suchen würden – und demzufolge auch, welche Kategorien sie bei der Erstellung der Inhalte angeben würden. Dafür habe ich hier eine kleine Umfrage erstellt, über deren Beantwortung ich mich sehr freuen würde. Darin finden Sie auch meine E-Mail-Adresse. Wenn Sie also weitere Anregungen, Vorschläge oder Bedenken haben, lassen Sie es mich wissen.
Bis dahin vielen Dank fürs Lesen und liebe Grüße,
Jonas

Jonas schreibt seine Masterarbeit im Projekt HPI Schul-Cloud. Der Schwerpunkt in seinem Studium liegt neben der Webentwicklung in letzter Zeit immer mehr auf dem Design Thinking. Die Idee hinter seiner Masterarbeit ist Lehrer bei der Planung und vor allem dem Teilen ihrer Unterrichtsstunden sowie Unterrichtsreihen zu unterstützen. Durch eine Bereitstellung der Unterrichtsplanung kann eine Diskussion sowie eine Mix-and-Match-Mentalität hervorgerufen werden, die der Qualität des Unterrichts nur guttun kann. Abseits des Studiums findet man Jonas meistens auf Fußballplätzen oder auf der Suche nach neuen Reisezielen.

Hinweise der Redaktion
Bildnachweise: Titelbild: HPI/O. Puck / Foto: Jonas Keutel
*Sprachlicher Hinweis: Es sind stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint; aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird an dieser Stelle nur die männliche Form verwendet.